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Chinesische Heilpflanze: Wurzelextrakt lässt Würmer länger leben

von Tom Leonhardt
Fotoquelle Wikipedia, Von Agricultural Research Service, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=646062
Ein Wurzelextrakt des Vielblütigen Knöterichs verfügt über besondere Eigenschaften: Es lässt den Fadenwurm C. elegans länger leben und schützt ihn vor oxidativem Stress. Das zeigen Ernährungswissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) in einer neuen Studie. Die Forscher liefern damit wissenschaftlich fundierte Belege für die Wirksamkeit dieses Extraktes, der vor allem in der traditionellen chinesischen Medizin und als Nahrungsergänzungsmittel verwendet wird. Gleichzeitig beschreiben sie erstmals molekulare Signalwege, die der Wirkung des Extraktes zu Grunde liegen könnten. Ihre Studie erschien kürzlich in der internationalen Fachzeitschrift "Plants".

Der Vielblütige Knöterich erfreut sich großer Beliebtheit. Zahlreiche Anbieter vertreiben Extrakte und Pulver dieser Pflanze als Nahrungsergänzungsmittel und werben damit, dass die Mittel verjüngend und besonders gesundheitsförderlich wirken sollen. Wissenschaftlich fundierte Studien über die Wirkung gab es bisher jedoch nur wenige. "Die meisten Studien konzentrierten sich nur auf den Hauptwirkstoff des Pflanzenextraktes. Tatsächlich besteht er aber aus vielen verschiedenen Stoffen, deren kombinierte Wirksamkeit dagegen noch nicht stark erforscht ist", sagt der Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Wim Wätjen von der MLU. Seine Arbeitsgruppe forscht seit einigen Jahren an der Pflanze, ihren Inhaltsstoffen und deren möglichen Wirkungen.
Für die aktuelle Studie überprüften die Forscherinnen und Forscher aus Halle, ob sich die vielfach angepriesenen Anti-Aging-Effekte tatsächlich nachweisen lassen. Dafür verabreichten sie eine hohe Menge des Extraktes an den Fadenwurm C. elegans, einem häufig verwendeten Modellorganismus in den Bio- und Lebenswissenschaften. "Die meisten bisherigen Studien haben die Wirkungen der Pflanze mit isolierten Zellen oder im Reagenzglas untersucht, wir wollten sie im lebenden Organismus untersuchen", erklärt Wätjen. Für die höchste Konzentration, 1.000 Mikrogramm pro Milliliter, konnte seine Gruppe verschiedene Effekte beobachten: Die Lebenszeit der Würmer verlängerte sich um knapp 19 Prozent. Für C. elegans entspricht das einem Plus von etwa drei Tagen. In zwei weiteren Kurztests untersuchten die Wissenschaftler, inwieweit das Mittel die Würmer auch vor oxidativem Stress oder Hitzestress schützt. Dabei zeigte sich, dass der Extrakt zwar die Überlebensrate der Würmer bei Hitze nicht verbessert, jedoch die Bildung schädlicher Sauerstoffradikale vermindert und die Tiere deutlich besser vor erhöhtem oxidativem Stress schützt.
Im nächsten Schritt wiederholten die Forscher die Tests mit Würmern, deren Erbgut an bestimmten Stellen gezielt verändert worden war. Dadurch wurde die Funktion von speziellen Proteinen ausgeschaltet, die für das Altern von zentraler Bedeutung sind. "Waren die Gene für die Bildung der Proteine DAF-16 oder Sir-2.1 defekt, waren auch die positiven Effekte des Wurzelextraktes deutlich geringer", fasst Wätjen zusammen. Eine längere Lebensdauer ließ sich übrigens nur beobachten, wenn alle Proteine ordnungsgemäß funktionierten. "Das bestätigt, dass es sich beim Altern um einen komplexen Prozess handelt, der von vielen Faktoren abhängig ist", so Wätjen.
Die Ergebnisse der neuen Arbeit fügen sich gut in die bisherige Studienlage ein: Ein Hauptbestandteil des Wurzelextraktes ist eine Substanz, die eine ähnliche Struktur wie Resveratrol hat. "Diesen Stoff findet man zum Beispiel in Weintrauben und von ihm weiß man, dass er eine spezielle Enzymklasse, die Sirtuine, aktiviert. Diese zählen seit Langem zu den maßgeblichen Stoffen, die Alterungsprozesse im Körper steuern", sagt Wätjen.
Die neue Studie gibt Hinweise über Eingriffe von pflanzlichen Inhaltsstoffen in grundlegende Mechanismen und Signalwege des Alterns, die als Grundlage für weiterführende Forschungsarbeiten dienen können. Auf den Menschen übertragen lassen sich die Erkenntnisse allerdings nicht direkt. Zwar seien die Grundprinzipien und Signalwege in anderen Organismen womöglich ähnlich, so Wätjen, aber ob sich die in C. elegans beobachteten Effekte auch in anderen Lebewesen nachweisen lassen, müsse noch in Folgestudien geklärt werden. In Halle soll zudem künftig die schützende Wirkung des Extraktes in Bezug auf die Entstehung von Plaques im Rahmen von Morbus Alzheimer untersucht werden.

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